Herbert Bayer hatte seine Versuche zu einer neuen Schrift, die er am Bauhaus begonnen und später „universal type“ genannt hatte, 1933 vorerst eingestellt. Er hatte zur weltweiten Verständigung einen Schrifttypus entwerfen wollen, der dank seiner geometrischen Konstruktion allgemein besser auffassbar und einfacher zu drucken sein würde. Dieser radikale Versuch, mit Kreisbögen, der Senkrechten und der Waagerechten auszukommen, hinterließ auch in der NS-Zeit noch Spuren. Die charakteristischen Rundbogen-Buchstaben fanden als Marke oder Signet ihren Weg in die Werbung.
So auch durch den Grafiker Friedrich Reimann. Der hatte als Student am Bauhaus im Schriftkurs ein Semester lang systematisch trainieren müssen, Bayers Buchstaben nach Anleitung seines Lehrers Joost Schmidt zu verwenden und zu variieren. Sein Buchstabe W aus diesen Grotesk-Charakteren, die jeder Bauhäusler beherrschte, brachte es zu einiger Prominenz. Um 1937 wurde diese W-Form zur Grundlage einer Piktogrammserie. Sie war vom Staat bestellt. Diese Zeichen sollten das tragende visuelle Element einer volkswirtschaftlichen Aufklärungskampagne werden, die sämtlichen 22 Millionen Haushalten im Großdeutschen Reich galt. [1] 1943 hatte sie immerhin einen Etat von 6,75 Mill. RM erreicht und trug seit rund vier Jahren das Prädikat „kriegswichtig“. [2]
„Es war selbstverständlich“, hieß es 1940 in einem Bericht der zuständigen Behörde über ihre Kampagne, „daß man […] die bekanntesten Werbeberater, Graphiker und Texter zur Mitarbeit und Gestaltung heranzog.“[3] Dazu gehörte Friedrich Reimann nun gewiss nicht. Aber er hatte den Auftrag doch über einen Prominenten bekommen, nämlich über seinen Reklamelehrer Mies van der Rohe. Dieser Name bürgte in der Wirtschaft insofern für Qualität, als Mies‘ größter Auftraggeber, der Krefelder Seidenfabrikant Hermann Lange, auch Leiter des Textilsektors im Finanzministerium war und so in weite Kreise der Textilbranche Eingang gefunden hatte, die gerade in unserem Thema eine Rolle spielt.
Dass sich die Piktogramme dann bis weit in den Krieg hinein in dieser staatlichen Kampagne halten konnten und auch darüber hinaus wirksam werden sollten, ist zum großen Teil durch die hohe Akzeptanz ihrer Form erklärlich.
Die Unzial-Elemente in Bayers Schriftidee, jene Kreisbögen mit anschließenden Geraden, hatten 1926 zur Zeit ihrer Veröffentlichung in der Werbung bereits eine solide
Tradition. Diese mag manchen Künstler, der vom Konstruktivismus beeinflusst war, darin bestärkt haben, auch in der Schriftgestaltung mit Kreis und Gerade auszukommen.
Lucian Bernhards Markenzeichen M etwa, das für Manoli-Zigaretten stand, hatte diese Rundbogen-Eigenschaften und war seit ca 1910 populär.
Nicht nur Wilhelm Deffke
befasste sich 1917 mit diesem Zeichen, auch im Reklameunterricht am Bauhaus, mehr als ein Jahrzehnt später, beschäftigte man sich mehrfach damit.[3a] Um 1930 herrschte ohnehin rege Nachfrage nach diesen Rundformen. [4] Der Typograf Jan Tschichold beispielsweise arbeitete an Bayers Schriftideen weiter und verbreitete gern Musterbeispiele für eine Bewegung, die er als „elementare“
oder „neue Typografie“ propagierte. Eine "m"-Komposition von Wilhelm Deffke gehörte
dann plötzlich auch in diesen Kontext.
Auch für Rudolf Kochs Groteskschrift „Kabel“, wurden seit 1929 eigens solche runden Versionen angeboten. Es scheint einen Markt dafür gegeben zu haben.
Über die Eignung dieser Formen als Waren- oder Firmenzeichen war man sich auch 1941 noch einig, wie man in Anzeigen wie dieser entdecken kann.
Wenn Reimann nun also für seinen Staatsauftrag auf solche Formen zurückgriff, ging er kein stilistisches Risiko ein. Außerdem versah er seine drei W-Zeichen mit einer etwas konservativeren Note, die durch Mies van der Rohe vermittelt worden war. Der hatte in seinem Reklameunterricht an die Stelle grafischer Versuchsanordnungen, die sein Vorgänger Joost Schmidt anbot, konkrete Vorbilder aus der Gebrauchsgrafik gesetzt. So empfahl er Wilhelm Deffke, der mit seinen gewichtigen, häufig geometrischen Markenzeichen nach dem 1. Weltkrieg sehr bekannt wurde. [s. Reimanns Erinnerung]
Diesen Einfluss reflektierte Reimann. Er vermied gleichgewichtige Positiv- und Negativ-Flächen, wie sie Joost Schmidt an den Anfang seines Schriftkurses gesetzt hatte. Stattdessen gestaltete Reimann massivere Schwärze, wie sie nur jenseits jener Buchstabenraster zu gewinnen war, die Joost Schmidt für den Schriftunterricht aus dem Quadrat entwickelt hatte.
Die runden Konturen wurden so zu einem Rahmen für ein stabiles, eckiges Innengerüst, das ein auf der Spitze stehendes, numeriertes Quadrat tragen kann. Der Gedanke „Achtung
Hauptverkehrsstraße“ war nicht weit. Man liest W1, W2 und W3. Mit Hilfe der Wellenreihe, die unterhalb des Zeichens wie eine Kllöppelspitzenkante angebracht ist, beginnt man „Wasser“, zu
assoziieren, „Waschen“, Wäsche oder „Wanne“. Reimann legte mit der konstant bleibenden Grundform, in der sich lediglich die Ziffer änderte und die Anzahl der Wellenreihen, ein kleines
Symbolsystem an, das dazu geeignet war, drei miteinander verwandte Bedeutungen zu unterlegen. Die kleine grafische Serie war dazu gedacht, unmissverständlich schnell wiedererkennbar für drei
ähnliche, aber sich im Detail unterscheidende Handlungsanweisungen zu stehen.
In Klartext übersetzt, bedeuteten die Zeichen „Waschgruppe 1, 2 und 3“. Sie sollten auf drei verschiedene Waschverfahren hinweisen, jeweils abgestimmt auf die unterschiedlichen Textilmaterialien: Weiß- und Grobwäsche, Buntwäsche, Feinwäsche. Der Auftrag dazu kam aus der Vierjahresplanbehörde, dem Amt für Deutsche Roh- und Werkstoffe.[5] Dieses organisierte Planung, Aufbau und Produktion der Rohstoffindustrie, in diesem Fall der Textilrohstoffindustrie, zum Zweck der Kriegsvorbereitung. Die Aufklärungskampagne für „faserschonendes Waschen“ wurde notwendig, weil das Regime im Rahmen seiner Autarkievorstellungen die Entwicklung synthetischer Fasern forciert hatte. Die daraus gefertigten Stoffe Kunstseide und Zellwolle erforderten beim Waschen weit schonendere Behandlung als herkömmliche Stoffe. Vor allem die neuen Zellwollqualitäten neigten in nassem Zustand zum Ausleiern und sogar zur Auflösung. Die sogenannte Waschaktion war der staatliche Versuch, das Wirrwarr der Waschvorschriften, die Textil- und Waschmittelfirmen bisher herausgegeben hatten, ein für allemal zu beseitigen um so die Waschgewohnheiten der Hausfrauen, die den neuen Materialien nicht immer zuträglich waren, gezielter beeinflussen zu können. Die Kampagne sollte – so die Behörde – insbesondere, dem Vorurteil entgegentreten, daß die neuen Spinnstoffe an vorzeitigem Verschleiß schuld seien." [6]
Reimanns abstrakte, nüchterne Zeichen gerieten in den folgenden Jahren in eine Wüstenei anbiedernder, rückwärtsgewandter grafischer Werbeelemente. Sie blieben immer
Fremdkörper. Als der Künstler dem Bauhaus-Archiv Berlin 1993 die Piktogramme spendete, legte er Anwendungsbeispiele bei mit dem Kommentar: "Das W-Zeichen in der Werbung". Entgegen der Idealvorstellung eines Gebrauchsgrafikers, zumal eines Bauhaus-Absolventen, ist nicht das gesamte Werbeblatt von
Reimann gestaltet. So fühlte er sich verpflichtet, auf der Rückseite dazuzuschreiben: "Satzgestaltung nicht von mir". Damit rückt er auch von der deutlich schlechteren grafischen Qualität
des Satzes ab.
Warum die Piktogramme nie eine tragende visuelle Rolle einnehmen konnten, soll in der weiteren Werbe- und Propagandapraxis bis zum Kriegsende verfolgt werden. In der gesamten Waschaktion
werden immer verschiedene Gestalter mit ihren Entwürfen aufeinanderstoßen. Sich überschlagende, überkreuzende und miteinander konkurrierende Absichten in Wirtschaft und Politik werden grafische
Gesamtergebnisse hinterlassen, die zuletzt nur noch von Zufällen gesteuert werden. Die Beispiele stammen hauptsächlich aus den Akten des RVA, des Reichsausschusses
für Volkswirtschaftliche Aufklärung. [7]
Der RVA war anfangs eine privatwirtschaftlich organisierte, sogenannte halbstaatliche Stelle, die als verlängerter Arm des Werberates der deutschen Wirtschaft fungierte und als solcher ebenfalls
direkt dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unterstellt war. Dieser Ausschuss schien die geeignete Behörde zur Durchführung
dieser Waschaktion, wie das Amt für Deutsche Roh- und Werkstoffe befand. Denn seine reichen traditionellen Beziehungen zur Privatwirtschaft ermöglichten ihm, für seine Kampagne aus der Werbung
der Textil- und Waschmittelindustrie wesentliche Inhalte und Methoden, ja sogar, wie zu zeigen sein wird, Gestalter und konkrete grafische Formen zu übernehmen.
Die Textilindustrie hatte bereits seit langem diverse Schulungen und Informationen für "richtiges" Waschen eingerichtet. Denn mit zunehmender Menge synthetischer Fasern hatte sie auch immer
mehr mit der Angst der Hausfrauen vor den "Ersatzstoffen" zu kämpfen, wie man in Erinnerung an den 1. Weltkrieg zu sagen pflegte. Auch die
Waschmittelindustrie wollte nicht an vorzeitigem Stoffverschleiß schuld sein, und so gehörte auch in dieser Branche der Service "Waschberatung" seit ca 1936 zu den Kerninhalten ihrer PR. Das
geschah in der Presse, in Drucksachen, auf Ausstellungen oder auch live, etwa durch "Persildamen", die durch die Lande reisten.
Diese ureigensten Werbeinhalte der Privatwirtschaft nun allerdings staatlich kontrolliert zu wissen, bezeichnete beispielsweise der Werbeleiter der Henkelwerke als "tiefen Eingriff in die Arbeit unseres Hauses".[8] Er sprach trotz grundsätzlicher weltanschaulicher Übereinstimmungen vom Aufgeben einer bis dahin genossenen Freiheit. Völlig neu für die beteiligten Firmen war nun die Notwendigkeit, jeden einzelnen Werbeschritt mit dem RVA abzusprechen.
Der RVA hatte also bei seiner Kampagne die Interessen zweier großer Industrien einzubeziehen, außerdem aber die Weisungen mehrerer Ministerien zu beachten. Auch mussten die viele Institutionen, die zur Distribution der Werbemittel und Live-Streuung des Gedankens (samt deren Finanzierung) herangezogen wurden, berücksichtigt werden - so der Einzelhandel für Waschmittel und der Einzelhandel für Textilien oder auch der nationalsozialistische Lehrerbund und die Hitlerjugend. Nicht zuletzt wollte bei Aktionen, die die Zielgruppe der Frauen betraf, das Deutsche Frauenwerk gefragt werden. Dieses komplexe Interaktionsverhältnis zwischen Wirtschaftswerbung und Staatspropaganda [9] wirkte letztlich bestimmend und - wie man an einzelnen Beispielen sehen wird - hemmend auf die Gestaltungsprozesse.
„Ich habe mich mit Prof. Deffke im Kaufhaus Wertheim am Leipziger Platz getroffen. Ich wollte den großen Mann kennenlernen, von dem Mies van der Rohe in der Reklame-Abteilung im Bauhaus Steglitz 1932-33 so viel berichtet hatte. Da ich Maler werden wollte/ also nicht lebenslang für die Industrie schaffen mochte/ kam es etwa 1936 nicht zu einer Anstellung bei Deffke. Mies van der Rohe hatte mir ein Bauhaus-Buch über Deffke geschenkt. Leider konnte ich es nicht mehr heimschicken – beim Totalfliegerschaden 1943 ging es mit verloren.“ zurück zum Text
© Reimann Erben. Bauhaus-Archiv Berlin. [Handschriftlich mit
Kugelschreiber auf Teil eines großen Briefumschlages, beschriftet mit „Herrn Prof. Deffke, Berlin-Wihelmshagen, Viktoriastr. 23.“ Geschrieben als Block aus zeilenbetonenden Versalien auf
Quadratbasis, unterteilt mit Schrägstrichen und auf halbe Höhe gesetzten Punkten.
Was Reimann mit dem „Bauhaus-Buch über Deffke“ meinte, ist unklar. Es könnte sich auf ein Heft der Zeitschrift Qualität beziehen, die Deffkes ehemaliger Geschäftspartner C.E. Hinkefuß herausgab, z.T. mit Inhalten vom Bauhaus.]
Die Bemühungen des RVA von 1937/38 resultierten in einem Text mit der bürokratischen Überschrift "Vereinheitlichte Waschvorschriften". Dieser wenig ansprechende Titel kündete mehr vom mühseligen Einigungsprozess, als dass er eine Kampagne zur neuen Wascherziehung hätte einläuten können. Reimanns neutrale Piktogramm-Symbolik mag aber genau dem Selbstbild der staatlichen Wascherzieher entsprochen haben. Diese wähnten sich ja "unparteiisch und selbstlos" im Dienste des Volkes tätig, dem man mit der Aktion angeblich den Verlust von Wäsche im Wert von 400-500 Milliarden RM ersparen wollte.
Firmen und Presse waren gehalten, den Text mit den Piktogrammen zu publizieren - freiwillig. Waschmittel- und Textilfirmen versuchten, das Piktogramm in ihren Werbemitteln unterzubringen. Gegen einen Druckzuschuss hatten sie die undankbare Aufgabe, die amtlichen Vorgaben in ihren gewohnten Werbestil zu integrieren - unter Wahrung des Vorrangs der amtlichen vor der eigenen Werbung und deren sauberer Abtrennung wie bei dem hier gezeigten bei dem Bemberg-Stoffanhänger. Außen präsentierte sich die Textilfirma, innen waren die Waschvorschriften untergebracht.
Diese Trennung zwischen Wirtschaftswerbung und Propaganda selbst auf kleinstem Raum einzuhalten und dennoch ein grafisch befriedigendes Gesamtergebnis zu erzielen, gab oft Anlass zu Reibereien.
Reimanns schwarze Zeichen waren zwar auffällig, doch konnten sie die Aktion, so widersprüchlich, wie sie angelegt war, natürlich nicht visuell tragen.
Die Ergebnisse aus dem ersten Jahr der Waschaktion stimmten auch den RVA unzufrieden. Man beklagte dort aber nur, man habe von Text und Zeichen W1 W2 W3 nicht genügend Gebrauch gemacht.
Die Behörde holte sich für die Waschaktion, die sich seit der Jahreswende 1938/39 immer mehr zu einer Multimediakampagne auswachsen sollte, weitere professionelle Hilfe. Als Werbeberater zog man 1939 Hanns W. Brose heran, [10] der für Odol gearbeitet hatte, und der zuletzt für die Einführung des neuen Henkelprodukts Fewa zuständig gewesen war. Er sorgte für einen ausbaufähigen Werbeplan.[10] Mit den Versen für eine Waschfibel, die anfangs das zentrale Medium der Wascherziehung werden sollte, wurde Elly Heuss-Knapp beauftragt. Man kannte von der erfahrene Werbefachfrau und Texterin u.a. den Henkel-Slogan "Persil bleibt Persil". Sie war vor allem als Expertin für die neuen Reklame-Medien Film, Rundfunkdurchsprüche, Werbeschallplatten und tönende Kinodias berühmt. Den Entwurf fürs Titelblatt der Waschfibel bestellte Brose bei Kurt Heiligenstaedt. Dieser einst kritisch-satirische Zeichner stand bei der Firma Henkel ebenfalls für ihr Erfolgsprodukt Persil, für das er 1922 die populäre weiße Dame erfunden hatte.
Doch die Bestellung großer Namen verhinderte nicht, daß die Kampagne ein Mißerfolg wurde. Der RVA summierte 1943 - nur für den internen Gebrauch natürlich - die Gründe. Die Waschaktion habe aus "vielen Einzelaktionen" bestanden, die "die einheitliche Linie vermissen ließen". Auch hätten "Rivalität zwischen Waschmittelindustrie und deren Werbeabteilungen einerseits und dem RVA und seinen Grafikern andererseits dazu geführt, daß an sich gute Werbegedanken jeweils aus Prestigegründen sabotiert wurden.[11]
Das spiegelt beispielsweise die Waschfibel, anfangs das zentrale Werbemittel in dieser Aktion. Es waren vier Parteien gleichzeitig, die neben dem RVA an der Broschüre mitgestalteten. Erstens Kurt Heiligenstaedt. Durch ihn kam ein neuer Persil-Mädel-Typus aufs Titelblatt. Dreifach multipliziert, wurden daraus Personifikationen der drei Waschgruppen, die die "richtig" sortierte Wäsche in ihrem jeweiligen Korb trugen. Zweitens Friedrich Reimann. Seine abstrakten Piktogramme rutschten bis zum Kriegsende auf die Innenseiten [Link], wo sie - Gestalter Nr. 3 - mit den Versen von Heuss-Knapp versehen, von der - Gestalter Nr. 4 - Druckerei Zander zum Layout verarbeitet wurden. Als fünfter und sechster Mitgestalter wirkten obendrein mit: der Zellwollpabst Hans Kehrl und das Propagandaministerium. Letzteres sprengte die Kampagne am Ende, indem es seine Kontrollen sechs Wochen hinauszögerte und die Werbung endgültig wirkungslos machte.[12]
Außerdem war der RVA selbst bei weitem keine homogen agierende Instanz, bestand das Institut doch aus etwa 100 Mitarbeitern, vertraglich gebundenen Künstlerwerkstätten und Druckereien plus einem eigenen Verlag.[13] Sie alle kamen im Lauf der nächsten Jahre zum Einsatz, um an den Werbemitteln mitzugestalten. Denn mit jedem neuen Versorgungsengpass, den der Krieg mit sich brachte, musste der Werbeplan und alle darin vorgesehenen Medien blitzschnell inhaltlich geändert, oder auch neu erfunden werden.
Das Einführungsplakat für die Waschfibel erforderte 1939 noch drei andere Mitgestaltende: die Fachgruppe Bekleidung-Textil-Leder und die ADT, Arbeitsgemeinschaft Deutsche Textilindustrie', die auch den ausführenden Künstler, Otto Clevé-Klebert mitbrachte, der sich bereits in der Textilwerbung bewährt hatte. Die Fachgruppe bestimmte die Wäschestücke, die abgebildet werden sollten, und die AG Textil kämpfte um "kräftigere Farben!" Das Plakat sollte Reimanns Piktogramme zeigen, die als Köpfe für drei Figuren herhalten mussten, die jeweils die der Waschgruppe entsprechenden Kleidungsstücke trugen. "Die Figur W2 bekommt statt des gestreiften ein buntkariertes Hemd", das war in dieser Auseinandersetzung ein wichtiger Gesichtspunkt. Das Plakat ist nur aus einem Beratungsprotokoll vom März 1939 bekannt, es wurde wegen des Kriegsausbruchs nicht gedruckt. [14]
Neben pausenloser Anwesenheit des Themas in der Presse sowie in anderen Printmedien wurden Ausstellungsschränke auf Wanderausstellungen geschickt, die Persil- und RVA-Damen mit
Vorträgen
begleiteten. An den Piktogrammen W1, 2 und 3 fehlte es duchaus nicht. Doch dank der vielen Mitgestalter kamen sie um ihre tragende visuelle Rolle. Es gab
beispielsweise tönende Dias, die die Waschfibel 1940 14 Tage lang in 700 Kinos des ganzen Reiches ankündigten.[15] Der Gestalterin
Elly Heuss-Knapp, die zu ihren Versen eigentlich nur die bekannten Wäschekörbe abbilden wollte, wurden vom RVA die Piktogramme aufgezwungen und einfach daneben gesetzt. Die tönenden Dias sind im
Original nicht überliefert. Doch wir kennen die grafischen Elemente und wissen, wie inkompatibel sie wirken, wenn - wie üblich - die grafische Einarbeitung fehlt.
In einem Werbefarbfilm [16] findet man Reimanns abstrakte Zeichen sogar in personifizierter Form. Die
Fabrikanten Sunlicht und Böhme-Fettchemie ließen ihn 1941/42 im Auftrag des RVA von Carl Schumann
gestalten - ein Name, der nach dem Filmhistoriker Rolf Giesen für grundsolide, heitere, nette Werbefilme stand. Drei spielzeughafte Heroldfiguren weihen hier eine blutjunge Hausfrau
in die Wunder des Wäschesortierens ein. Die zum Leben erwachte Wäsche sammelt sich in einer angestrengt-heiteren Revue von selbst bei der jeweiligen Waschgruppenpersonifikation mit dem richtigen
W-Zeichen. Die W-"Schilde" bieten den erstrebten Schutz für die Wäsche. [17] Der RVA fand diesen 5-Minuten-Film zu dürftig, weil die Symbolik für andere Branchen verbraucht sei. [18]
Damit die Piktogramme, deren korrekte Form anfangs vom RVA überwacht wurde, nun wie hier im Film verändert werden durften, schuf man im RVA eine urheberrechtliche Regelung. Da die Ziele der
Kampagne sich in immer kürzeren Abständen dem kriegsbedingten Mangel an Waschpulver und dessen Waschkraft, an die Textilienknappheit und den Durchhaltewillen unter den Hausfrauen anzupassen
hatten, schuf man sich freie Hand, um kurzfristig beliebige Motive zusammenstellen zu können. Man fasste ab dem 12.9.1941 sämtliche Verträge zwischen RVA und Werbeberatern und -gestaltern so ab, daß der RVA den gelieferten Entwurf in jeder Form, wann und wie oft es ihm beliebte, verwenden konnte.[19] Das Verfahren sah keineswegs ein höheres Honorar für die Künstler vor. Werbemittel, die aus Entwürfen mehrerer Grafiker zusammengestellt waren und wegen akuter
Themenverschiebungen immer neue Formen annahmen, enthielten dann auch keine Signaturen der grafischen Einzelelemente mehr.
Die Piktogramme gerieten in den Hintergrund, als sich die Waschaktion um 1942 unter den Bedingungen des Krieges endgültig ins Absurde wendete. Doch verschwanden sie dank Trägheit und Beharrungsvermögens der RVA-Bürokratie nicht völlig. Selbst in der dritten Version der Waschfibel von 1943 erschienen getreulich W1, 2, 3 - comic-artig den übrigen Vignetten angepasst, jedoch sinnentleert.
Denn hatten die Waschvorschriften unter W1, W2 und W3 bisher darauf beruht, den richtigen Umgang mit den Stoffen, dem Einweichmittel und Waschpulver zu lehren, so fehlten diese drei Faktoren doch immer mehr. Gab es seit Kriegsbeginn statt Markenwaschmittel nur Einheitswaschpulver zu kaufen, so wurden auch diese Chemikalien knapp und knapper und auch wirkungsloser.[20] Der Werbeleiter der Firma Henkel riet also 1942, das Werbeziel zu korrigieren. Es galt nunmehr, "[…] die Hausfrau zufrieden zu halten und so die innere Front zu stärken […]"[21]
Eingedenk der Tatsache, dass auch Textilien schon lange nicht mehr beliebig nachzukaufen waren, musste die Kampagne schließlich ihren Inhalt komplett, aber unmerklich auswechseln. 1942 beschränkte sie sich auf Ratschläge zum Einweichen der Wäsche, bis sie endlich genau so unverfroren gut gelaunt riet, sie gar nicht erst schmutzig zu machen. Zuletzt, 1943/44, brauchte man dringend einen Schuldigen an der ganzen Misere, die die Frauen tagtäglich aufbrachte, und schuf eine Personifikation dafür, die "keinem wehtun" sollte. Sie hieß "Dreckspatz".
Die Kampagne hatte nur noch ein Ziel: den Unmut der Hausfrauen so zu kanalisieren, dass er ihrem Durchhaltewillen bis zum Endsieg nicht schadete, koste es was es wolle.[22]
Eine "tragende Figur" zu schaffen, die einen "Sündenbock abgibt", wurde dem Grafiker Hans Landmann aufgetragen, dem dieses Kunststück mit der erfolgreichen Figur des "Kohlenklau" schon einmal gelungen war.[23] Die "tragenden visuellen Elemente" von 1937 wurden ebenso wie die Inhalte, für die sie standen, so dezent wie möglich auf andere Formen verlegt - vom Piktogramm auf die Personifikation. Zur Wiederherstellung und Stabilisierung der guten Stimmung unter den Frauen an der "inneren Front" [24], die die militärische Front entlasten sollte, eigneten sich Piktogramme natürlich nicht. Sie verwiesen jedoch weiterhin auf drei verschiedene Wäschegruppen, ohne die einst damit verbundenen Waschanweisungen zu transportieren.
Der Gedanke, die Waschverfahren zu differenzieren, zu standardisieren und ein Symbol-System als Handlungsdirektive, Piktogramme also, einzuführen, war nachhaltig.[25] 1958 wurden die heute in Europa üblichen Piktogramme zur Kennzeichnung von Textilien markenrechtlich hinterlegt. Seit 1975 setzte, erst europaweit, dann bald international, die Standardisierung ein.[26] Wir alle tragen inzwischen die vereinheitlichten Pflegesymbole für Textilien eingenäht in unserer Kleidung.
Der NS-Staat hatte zwar die administrativen Mittel zur Vorbereitung dieses Gedankens. Doch genau diese Mittel waren es auch, die es verhinderten, ihm auch optisch Durchschlagskraft zu verschaffen. Eine wesentliche Voraussetzung dazu war ja mit den Piktogrammen geschaffen worden. Es sieht aus wie ein ironischer Zufall, daß Friedrich Reimann sich dafür eines Buchstaben aus der „universal type“ bediente, die ja einst mit Blick auf internationale Standardisierung in der Kommunikation geschaffen worden war. Es war aber wohl kaum Zufall, daß die Visualisierung der Standardisierungsbemühungen durch die International Association for Textile Care Labelling, „Ginetex“, mit Blick auf die Reimann-Piktogramme geschah, deren Wurzeln bis zum Bauhaus reichen.
Herzlichen Dank an:
Bauhaus-Archiv Berlin
Francois Besch, Bivange, Luxemburg
© Bröhan Design Foundation, Berlin
© Bundesarchiv Berlin
Henkelforum, Düsseldorf
© Kurt Heiligenstaedt / Konzernarchiv Henkel AG & Co. KGaA, Düsseldorf
Professor Dr. Ludwig Theodor Heuss
© Erben Friedrich Reimanns
Vortrag zum Symposium „Bauhauskommunikation“ in Weimar, veranstaltet von der Universität Erfurt und der Klassik Stiftung Weimar, © 2009/2018 Ute Brüning
Anmerkungen
[1] Alfred Helzel: „Schone deine Wäsche“. Beispiel einer Großaktion volkswirtschaftlicher Aufklärung, in: Werben und Verkaufen. Mitteilungsblatt des Reichsverbandes der Werbungtreibenden e.V., 25.1940, 9, S. 246ff. > zurück
[2] Werben und Verkaufen. 26,1942,10, S. 377. zurück
[3] S. Anm. 1, S. 247. zurück
[3a] Vgl. Studienarbeiten von Herbert Schürmann und Irene Hoffmann, Bauhaus--Archiv Berlin. zurück
[4] Jan Tschichold: Das neue Plakat. In: Buch- u. Werbekunst. Offset, Tiefdruck, Hochdruck. Leipzig, 7 Jg. 1930, Heft 7, Farbtafel 13. Abb. aus: Bröhan Design Foundation (Hg.): Wilhelm Deffke - Pionier des modernen Logos. Zürich 2014, S. 238. ©Bröhan Design Foundation, Berlin. Am Bauhaus belegen Studienarbeiten von Herbert Schürmann und Irene Hoffmann die Manoli-Begeisterung. Bauhaus-Archiv Berlin. > zurück
[5] Information betreffs Frauenwerbung für den Leiter des RVA Metzger vom 5.4.1936, BArch R 5002,12. >zurück
[6] BArch R 5002, 26. zurück
[7] Reichsausschuss für Volkswirtschaftliche Aufklärung, BArch R 5002. > zurück
[8] Paul Mundhenke: Die Entwicklung der Waschmittelwerbung, dargestellt am Beispiel der Firma Henkel, in: werben und verkaufen 26.1942,10. > zurück
[9] Waltraud Sennebogen: Zwischen Kommerz und Ideologie. Berührungspunkte von Wirtschaftswerbung und Propaganda im Nationalsozialismus. München 2008. Ute Brüning: Bauhäusler zwischen Propaganda und Wirtschaftswerbung. In: Winfried Nerdinger, Bauhaus-Archiv Berlin (Hg.): Bauhaus-Moderne im Nationalsozialismus. München 1993, S. 24-47. > zurück
[10] Hanns W. Brose an RVA, 27.1.1939, BArch R 5002, 26. > zurück
[11] Aktennotiz vom 2.4.1943, BArch R 5002, 17. > zurück
[12] BArch 5002, 17. > zurück
[13] Alfred Helzel: Die volkswirtschaftliche Aufklärung als Staatsaufgabe. Der RVA, in: werben und verkaufen 26.1942, 8, S. 298. > zurück
[14] Protokoll der Sitzung vom 15.3.39: Plakatentwurf "Wasche Wäsche weise", BArch R 5002, 43 > zurück
[15] 24.5.40: 671 Kinos, Erhöhung auf 700 Platten Text für Etiketten: "Schone Deine Wäsche (Waschfibel) RVA", BArch R 5002, 42. > zurück
[16] BArch-Filmarchiv M 20901, Du und die Drei, Ufa. 1942. Regie: Curt Schumann, 126 m - 35mm - Ton. zurück
[17] Barch R 5002, 21, 22, 29. Werben und verkaufen, 1942, H. 7, S. 248 und H. 12, Abb. 19,20. > zurück
[18] Stellungnahme Dr. Alfred Helzel (stellv. Leiter des RVA), 22.9.41, Barch R 5002, 17. > zurück
[19] Aktennotiz des stellv. RVA-Leiters Helzel vom 12.9.1941, BArch R 5002, 47. > zurück
[20] Vgl. auch Egbert Gritz, Mersol ein Waschmittrel aus Kohle, in: Mitteilungen, Gesellschaft Deutscher Chemiker, Fachgruppe Geschichte der Chemie. Ffm, Bd. 24 (2014), S. 165-180, hier: 174f. > zurück
[21] Stellungnahme Paul Mundhenke zur Einführung eines Waschmittelkonzentrats, 17.6.1942. BArch R5002, 21. > zurück
[22] Bericht über Anschlagaktion der Zentralstelle für staatspolitisch wichtige Anschlagaktionen, 5.6.1944: [3.] Dreckspatz-Plakat "Du Dreckspatz bist schuld, daß wir Hausfrauen so viel waschen müssen" an 63 299 öffentlichen Anschlagstellen. Ab 25.2.1944 10 Tage. Kosten insgesamt: 172.187 RM. BArch R5002/4. > zurück
[23] Aktennotiz des RVA 2.4.1943, BArch R5002/17. > zurück
[24] Ob der Ausdruck "innere Front", der in der
Waschaktion vorwiegend benutzt wurde, synonym mit "Heimatfront" war, ist ungeklärt. >zurück
[25]Paul Funck, DIN Deutsches Institut für Normung e.V. (Hg.): Von der Vereinheitlichung zur Normung. Berlin, Köln 1983. >zurück
[26] https://de.wikipedia.org/wiki/Textilpflegesymbol, 6.8.2018. >zurück